Dr. Elisabeth Mackscheidt

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Mediation - Vermittlung im Erbkonflikt

von Dr. phil. Elisabeth Mackscheidt und Rechtsanwältin Sabine Schmiesing


Eine Frau erzählt ihrer Freundin begeistert von einer Familie, bei der alle, nun schon erwachsenen Geschwister wunderbar miteinander auskommen. Die Freundin bemerkt daraufhin: "Sie haben noch nicht geteilt!" Diese kleine, aus alter Zeit überlieferte Geschichte fasst zusammen, was offenbar viele Familien erleben:
Es ist nicht leicht, die Aufteilung eines Erbes so zu gestalten, dass alle mit dem Gefühl zurückbleiben, bekommen zu haben, was ihnen zusteht. Auch wenn ein detaillierter "Letzter Wille" vorliegt, kann dieser von den einzelnen Familienmitgliedern unterschiedlich "gelesen" werden - ganz abgesehen davon, dass seine Auslegung auch juristisch gesehen sehr wohl strittig sein kann. Bei näherem Hinschauen geht es in einer Erbauseinandersetzung oft nicht nur um ein materielles Interesse; dahinter steht vielmehr häufig der Wunsch, über das Erbe noch etwas von der Zuwendung und Anerkennung zu bekommen, welche die Betroffenen sich - gerade auch im Blick auf die eigenen Eltern - immer schon erhofft haben. Es mag sein, dass sie eine Art Nachholbedarf spüren; es mag aber auch sein, dass sie lediglich sicher sein möchten, dass die erfahrene Gunst auch über den Tod hinaus gilt. Der erste Rat, den man Familien, die Konflikte in Bezug auf ein Erbe erleben, geben kann, ist daher, sich nicht durch den Anspruch zu überfordern: "In unserer Familie gibt es darüber keinen Streit!"

Einladung zum Gespräch
Gewiss gibt es Geschwister - um diesen emotional besonders besetzten Erbfall anzusprechen -, die sich offen über ihre jeweilige Sichtweise austauschen und gemeinsam zu guten Lösungen kommen. Häufig aber wird ein solches Gespräch vermieden - vielleicht aus Respekt vor den verstorbenen Eltern, die sich Einigkeit unter ihren Kindern gewünscht haben; vielleicht weil man überhaupt wenig gelernt hat, im Familienkreis Dinge offen anzusprechen und deshalb unsicher ist oder sogar fürchtet, es könne sonst zum Bruch kommen. Wer sich benachteiligt fühlt, verbirgt oft seine Enttäuschung und gibt sie doch meist noch als Botschaft an die nächste Generation weiter. Das kann zu einer Distanz zwischen ganzen Familienzweigen führen. Und auch wer eher das bessere Los gezogen hat, kann sich nicht immer unbefangen darüber freuen. Beides kann die Beziehung der Geschwister zueinander belasten. Erst recht kann natürlich eine Auseinandersetzung vor Gericht die Atmosphäre in einer Familie vergiften, zumindest wenn es sich um einen Streit zwischen Mitgliedern des engsten Familienkreises handelt. Nicht umsonst verzichten manche Menschen etwa darauf, ihren Pflichtteil einzuklagen. Nun soll hier keineswegs bezweifelt werden, dass in Einzelfällen die gerichtliche Auseinandersetzung unumgänglich und auch hilfreich ist; schließlich geht es dabei ja gerade um den Schutz des Schwächeren. Dennoch lehrt die Erfahrung, dass Sieger in Familiensachen oft ihres Sieges nicht recht froh werden, weil die "sozialen Kosten" eines solchen Sieges hoch sein können. Wenn eben möglich, sollte man daher ein Verfahren wählen, aus dem alle Parteien als "Gewinner" hervorgehen können. Genau das strebt Mediation an.

Chancen einer Mediation
Mediation ist ein außergerichtliches Verfahren, bei dem der Mediator, die Mediatorin den Konfliktparteien hilft, zu einvernehmlichen Lösungen zu kommen. In der Mediation erarbeiten die Betroffenen selbst ihre individuelle, für ihre besondere Situation passende Regelung, die jeder der Beteiligten letztendlich als fair empfinden kann, so dass ein Einvernehmen erreicht wird. Gerade Familienmitglieder haben im allgemeinen ein gutes Gespür dafür, was gerecht sein könnte. Bei Mediation geht es also nicht um einen Schiedsspruch von außen, sondern darum, die Plattform abzugeben für ein konstruktives Gespräch zwischen den Konfliktpartnern. Selbstverständlich gehört es auch zur Aufgabe des Mediators, die grundlegende Rechtsinformation zu liefern, die allen Beteiligten ihre Rechte und Pflichten transparent macht und den Abschluss eines rechtsgültigen Vertrages ermöglicht. Da kann es um Fragen des Erbrechts selbst wie aber auch etwa um solche des Steuerrechts gehen. Ob der Konflikt nun die Aufteilung des Erbes, das Einklagen eines Pflichtteils oder z.B. die Art einer Auszahlung betrifft - im allgemeinen lässt das Recht großen Entscheidungsspielraum, vorausgesetzt alle Beteiligten einigen sich. Dabei hat die zunehmende Pluralität der Familienformen - man denke nur an Scheidung und Wiederheirat - die Komplexität nicht nur der rechtlichen Fragen erhöht, sondern auch das Loyalitätsgefüge von Familien komplizierter gemacht. Das wirkt sich auch auf mögliche Konflikte aus. Und nicht zuletzt für Erbauseinandersetzungen trifft zu, was für Konflikte im familienrechtlichen Bereich überhaupt typisch ist, nämlich dass Sachliches und Persönliches eng miteinander verzahnt sind (siehe Ulrike Fischer, Mediation im Familienrecht, in: Henssler/Koch, Mediation in der Anwaltspraxis, Bonn 2000, S.310).

Trennungs- und Scheidungsmediation
Dass der Streit um die Sache und der persönliche Beziehungskonflikt oft schwer zu trennen sind, gilt in besonderer Weise für jenen Bereich, in dem Familienmediation bisher am häufigsten durchgeführt wurde, nämlich im Zusammenhang mit den Regelungen, die bei Trennung und Scheidung anstehen. Auch hier lässt der Gesetzgeber den Partnern großen Spielraum, finanzielle Dinge eigenständig zu regeln. Insbesondere Paare, die Kinder haben, wählen zunehmend den Weg der Mediation, weil sie mit Recht die Hoffnung haben, dass ein solcher Einigungsprozess ihrer fortbestehenden gemeinsamen Verantwortung als Eltern und der dafür notwendigen zukünftigen Kooperation dienlich sein wird. Aber auch wenn keine Kinder vorhanden sind, haben viele Paare - so heftig ihr Konflikt auch sein mag - im tiefsten das Bedürfnis, faire Regelungen zu finden, die der zurückliegenden Geschichte ihrer Liebe gerecht werden.

Selbstwertgefühl und Autonomie
Wenn selbst Ehepartner, die sich aufgrund schwerer Konflikte trennen, noch so etwas wie eine bleibende Loyalität empfinden, so erst recht nahe Familienmitglieder, die im Laufe ihres gemeinsamen Heranwachsens trotz aller Enttäuschungen und vielleicht heftiger Rivalitäten eine tiefe Bindung zueinander eingegangen sind - eine Bindung, die die Basis für solidarisches Handeln abgeben kann; unser Selbstwertgefühl lebt von solchen Akten der Loyalität. Von den eigenen Eltern beim Erbe unterschiedlich bedacht worden zu sein, kann von Geschwistern z.B. dann oft gut verkraftet werden, wenn es um ein Familienmitglied geht, das aufgrund von Krankheit oder Behinderung auf besondere Unterstützung angewiesen ist. Manchmal allerdings kann es hilfreich sein, sich darüber auszutauschen, welche Sorgen die ältere Generation sich gemacht hat im Blick auf eine bestimmte Situation, die vielleicht von der nächsten Generation ganz anders eingeschätzt  wird. Die Klienten selbst können steuern, was sie in einer Mediation zum Thema machen wollen: Vielleicht wollen sie diese Plattform nutzen, Gefühle, die die einzelnen mit der Erbsituation verbinden, einander mitzuteilen, um auf der Grundlage eines besseren Verständnisses füreinander zu einem Konsens über die strittigen Fragen zukommen; vielleicht wollen sie sich eher mit einem rein sachbezogenen Aushandeln eines finanziellen Kompromisses begnügen. Jedenfalls bietet Mediation eine gute Möglichkeit, die emotional und u.U. auch finanziell hohen Kosten einer gerichtlichen Auseinandersetzung zu vermeiden und den persönlichen Beziehungen, die in einer Erbengemeinschaft oft eine große Rolle spielen, gerecht zu werden.


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